Beratung und hautärztliche Behandlung

Das Hautarztverfahren sichert die optimale medizinische Versorgung

Dem Hautarztverfahren kommt im Rahmen der Vorsorge von Berufsdermatosen eine Schlüsselstellung zu. Es ermöglicht die frühzeitige Einleitung aller anzeigten und vorsorglichen Maßnahmen (Prävention) im Rahmen des §3 der Berufskrankheitenverordnung.

Das Hautarztverfahren wird eingeleitet, wenn bei krankhaften Hautveränderungen die Möglichkeit besteht, dass diese durch eine berufliche Tätigkeit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert. Nicht unter das Hautarztverfahren fallen: Hautkrebs, infektiöse Hauterkrankungen und Erkrankungen der Atemwege einschließlich der Rhinitis.

Das Hautarztverfahren wird durch Hautärzte sowie Arbeitsmediziner bzw. Ärzte mit der Zusatzbezeichnung „Betriebsmedizin“ eingeleitet. Dabei untersucht der Hautarzt den Betroffenen und erstattet mit dessen Einverständnis unverzüglich den Hautarztbericht. Sofern eine Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber nicht gewünscht wird, ist dies auf dem Bericht zu vermerken. Bei der Erstattung des Hautarztberichtes sind eine exakte Berufsanamnese und eine dermatologische Beschreibung des Befundes einschließlich Angabe der Lokalisation erforderlich.

Unter Einbeziehung der erhobenen Befunde sollte eine detaillierte fachärztliche Diagnose gestellt werden. Darüber hinaus sind insbesondere klare Angaben zur Therapie und zur erforderlichen Prävention angezeigt. Falls erforderlich, ist seitens des erstattenden Hautarztes ein Behandlungsauftrag (allgemeine oder besondere Heilbehandlung) zu beantragen.

Der Hautarzt ist berechtigt, im Rahmen der Erstattung des Hautarztberichtes diagnostische Maßnahmen durchzuführen, die zur Klärung des Ursachenzusammenhanges zwischen der Hauterkrankung und der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind (§ 43 des Vertrages Ärzte/UV-Träger). Der Testumfang bezieht sich somit – sofern nicht mit dem Unfallversicherungsträger im Einzelfall anderes vereinbart wurde – auf das abzuklärende berufliche Tätigkeitsfeld.

Eine breite, auch außerberufliche Einwirkung umfassende Allergietestung (Epikutantest) ist im Rahmen der Erstattung des Hautarztberichtes nicht angezeigt. Eine orientierende Atopie-Diagnostik (z.B. Pricktestung mit bis zu 14 ubiquitären Allergenen) kann dann erforderlich sein. Bewertet wird hierbei die berufliche Relevanz von Typ-I- oder Typ-IV-Sensibilisierungen. Hautfunktionsuntersuchungen, für die keine standardisierten Methodikvorgaben und evaluierte Normwerte existieren, insbesondere die Messung basaler hautphysiologischer Werte, sind nicht möglich.

Nach Abklingen der Akutphase leitet der Hautarzt eine Stadien gerechte, möglichst nebenwirkungsarme, anti-entzündliche Therapie ein. Neben den medizinischen Maßnahmen sind darüber hinaus spezielle gesundheitspädagogische Hautschutz-Schulungsprogramme zu empfehlen, die von den Unfallversicherungsträgern angeboten werden. Diese sind mittlerweile flächendeckend und erfolgreich für viele Berufsgruppen (z.B. Friseurgewerbe, Pflegeberufe) etabliert.

Durch derartige interdisziplinäre, komplexe, präventive Anstrengungen konnte in den zurückliegenden Jahren in vielen besonders hautbelastenden Bereichen ein deutlicher Rückgang der Berufsaufgaben erzielt werden. Dies ist verbunden mit einer Minderung der persönlichen Last der Betroffenen (Bedrohung der Existenzgrundlage, Verlust an Lebensqualität) sowie mit einer deutlichen Minderung der Kosten für die Solidargemeinschaft. Denn besonders kostenintensive Umschulungsmaßnahmen konnten so eingespart werden.

Tertiäre Prävention

Bei ambulant therapieresistenten Berufsdermatosen kommen die erweiterten Abhilfemaßnahmen auf der Ebene der tertiären Individual-Prävention (TIP) zum Tragen. Beispielhaft konnte hier anhand des seit 1994 an der Universität Osnabrück angebotenen modifizierten stationären Heilverfahrens („Osnabrücker Modell“) gezeigt werden, dass durch intensivierte, interdisziplinäre (medizinische, gesundheitspädagogische, psychologische, ergotherapeutische, technische) präventive Anstrengungen bei 2/3 der Patienten mit konkret drohender Gefahr des objektiven Unterlassungszwanges der beruflichen Tätigkeit ein langfristiger Berufsverbleib erzielt werden kann. Die Maßnahme beinhaltet eine zwei- bis dreiwöchige stationäre Behandlung einschließlich intensivierter gesundheitspädagogischer Schulungen und eine nachstationäre dreiwöchige Arbeitskarenz, um eine vollständige Konsolidierung der epidermalen Barriere zu gewährleisten.

Indikationen für TIP sind überwiegend chronische, degenerativ-toxische oder allergische Kontaktekzeme, beruflich provozierte atopische Handekzeme, aber auch weitere Berufsdermatosen, wie z.B. eine chronische, beruflich getriggerte Schuppenflechte (Psoriasis palmaris), wenn diese ambulant therapieresistent ist und die Gefahr der Entstehung einer Berufskrankheit droht. Das Indikationsspektrum wird darüber hinaus erweitert durch die (ggf. wiederholte: „Refresher-TIP“) Durchführung stationärer Behandlungsmaßnahmen von älteren, nicht mehr umschulbaren Versicherten, um den Hautzustand weitmöglich zu stabilisieren.

Ferner sind stationäre Heilverfahren bei bestimmten Konstellationen zur Verlaufsbeobachtung sowie weiteren diagnostischen und versicherungsrechtlichen Einordnungen angezeigt: Zum Beispiel zur Bewertung der beruflichen Veranlassung unter Arbeitskarenz (sowie Sistieren privater hautbelastender Einflüsse) und engmaschiger stationärer Beobachtung bzw. zur Beurteilung der therapeutischen Beeinflussbarkeit des Krankheitsbildes.

Stationäre Heilverfahren bei Berufsdermatosen können ebenfalls zur Erzielung einer Minderung der Berufskrankheit-Folgen nach erfolgter Aufgabe der schädigenden Tätigkeit bzw. bei bereits anerkannter Berufskrankheit der Haut angezeigt sein.