1. Global Awareness Day Ohne Zahlen keine Probleme?!

Brüsselhaut+job

Die European Cancer Patient Coalition (ECPC) und die Europäische Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) haben den ersten „Global Non-Melanoma Skin Cancer Awareness Day“ ausgerufen. Die Premiere war Anlass für eine Podiumsdiskussion im Europa-Parlament in Brüssel. Auf Einladung der EU-Parlamentarierin Lieve Wierinck debattierten Dermatologen, Patientenvertretungen und Gewerkschafter über UV-Schutz am Arbeitsplatz.

Ein Podium in einem Veranstaltungsraum
Patientenvertreter, Hautärzte, Abgeordnete und Gewerkschafter warben anlässlich des weltweit "1. Tag des weißen Hautkrebs" im EU-Parlament in Brüssel für einen wirksamen UV-Schutz bei Arbeiten unter freiem Himmel: v.l. Victor Celedonio, Kathi Apostolidis, Alex Filicevas, Dorien Vanderbroek, Prof. Swen Malte John, Charlotte Grevfors und Marian Schaapman.

Eines wurde in Brüssel ganz deutlich: Das Bewusstsein für berufsbedingten Hautkrebs, vor allem den nicht melanozytären Hautkrebs, muss stärker in die Öffentlichkeit gerückt werden. ECPC-Präsidentin Kathi Apostolidis unterstrich, dass rund 80 Prozent der Fälle von hellem Hautkrebs Menschen ab 60 Jahre betreffen. Die Krankheit bleibe oft bis ins Rentenalter unentdeckt. Für entscheidend hält sie, das Bewusstsein für die Erkrankung bei den Arbeitnehmern zu schärfen. Erreichen könne man das nur durch Bündelung aller Kräfte. Die Bemühungen einer einzelnen Expertengruppe seien hier nicht ausreichend. Patientenvertreter, Ärzte und Arbeitgeber sollten zusammenarbeiten, um die Prävention von Hautkrebs zu fördern und sonnengeschützte Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Den ersten Schritt machte die ECPC gemeinsam mit der EADV, indem sie den ersten globalen Bewusstseinstag zum nicht melanozytären Hautkrebs ins Leben riefen. Der Aktionstag soll die Sensibilisierung für hellen Hautkrebs stärken und auf die unverhältnismäßigen Auswirkungen auf Beschäftigte im Freien aufmerksam machen. Die neuerliche Initiative beruht auf der weltweiten „Call for Action“ gegen den berufsbedingten Hautkrebs, zu der auf dem „Multi-Stakeholder-Gipfel“ (s. „Der Deutsche Dermatologe“ 6/2019, S. 433) in Paris im April 2019 aufgerufen wurde.

„Wir hoffen, dass wir in Zusammenarbeit mit anderen politischen Entscheidungsträgern Programme identifizieren und umsetzen können, um Beschäftigte im Freien besser zu unterstützen, die einem Hautkrebsrisiko ausgesetzt sind“, erklärte Apostolidis.

Amtliche Zahlen besagen, dass in Europa rund 14,5 Millionen Menschen überwiegend unter freiem Himmel tätig sind, darunter Bauarbeiter, Landwirte, Postboten oder Bademeister. Sie verbringen mehr als 75 Prozent der Arbeitszeit im Freien. Das Risiko an Hautkrebs zu erkranken ist bei ihnen zwei bis drei Mal so hoch, als bei anderen Berufsgruppen.

Prof. Swen Malte John, Leiter Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitswissenschaften an der Universität Osnabrück, prangerte die unzureichende Registrierung der Fälle an. In Italien beispielsweise ist heller Hautkrebs zwar in die Liste der berufsbedingten Erkrankungen aufgenommen worden. Den Behörden werden jedoch nur 34 Fälle pro Jahr gemeldet, wie aus einem druckfrisch erschienenen Weißbuch der EADV zur Krankheitslast von nicht-melanozytärem Hautkrebs hervorgeht. Auszugehen ist laut Prof. John von mehr als 3000 Fällen. In anderen Ländern ist nach Ansicht von Experten die Dunkelziffer ähnlich hoch.

Ohnehin haben bislang nur sechs EU-Länder nicht melanozytären Hautkrebs in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. „Wenn es keine Zahlen gibt, sehen Politiker auch keine Probleme“, so John, der in Deutschland auch für die "Haut&Job"-Woche 2019 federführend ist. Dabei sei heller Hautkrebs die am schnellsten zunehmende Krebserkrankung bei der hellhäutigen Bevölkerung weltweit.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat die UV-Strahlung bereits vor Jahren als Karzinogen der Gruppe eins eingestuft. In Deutschland wurde heller Hautkrebs 2015 in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen und ist in den letzten Jahren auf Platz zwei aller gemeldeten beruflichen Erkrankungen gestiegen. Im United Kingdom ist UV-Strahlung die vierthäufigste Ursache für berufsbedingte Krebserkrankungen, wie eine Studie feststellt.

Prof. John betonte, dass der erste Schritt zur Besserung die systematische medizinische Dokumentation ist. Mit dem neuen, im Mai 2019 von der WHO beschlossenen Diagnosecode ICD-11 besteht nun für jeden Arzt die Möglichkeit, beruflich verursachten Hautkrebs regelhaft zu erfassen.

Gezielte Aufklärung und Präventionsmaßnahmen für Außenarbeiter sind unerlässlich. Aus Sicht der Gewerkschaften spielen Arbeitgeber hier eine Schlüsselrolle, wie Marian Schaapman vom European Trade Union Institute verdeutlichte. „Die vorgestellten Zahlen sind erschreckend. Arbeitgeber müssen effektive Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vornehmen,“ forderte sie. Konkret schlagen die Gewerkschaften vor, Arbeitsplätze im Schatten zu schaffen und Arbeitszeiten so anzupassen, dass Beschäftigte die Mittagssonne meiden können.

Die Basis zur Bekämpfung von berufsbedingtem Hautkrebs liegt in einer einheitlichen EU-Politik, darin waren sich alle Teilnehmer einig. Bisher ist die UV-Strahlung als berufsbedingtes Karzinogen nicht in die EU-Richtlinie über Karzinogene oder Mutagene am Arbeitsplatz aufgenommen. Dies gilt es zu ändern, ließen sie unisono verlauten.

„Das von uns vorgestellte Weißbuch zeigt die alarmierende Verbreitung der Krankheit auf der ganzen Welt. Heute fordern wir die Regierungen auf, die Gesetzgebung zu verbessern und die Europäische Union, durch UV-Strahlung verursachten Hautkrebs in die EU-Empfehlung für Berufskrankheiten aufzunehmen und die EU-Richtlinie um UV-Strahlung zu erweitern“, so John.

A.Riehl/BVDD 09.07.2019