Haut&Job 2019 Basalzelltumoren beruflich bedingt

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Die Vorsorge und Früherkennung von berufsbedingten Hautkrankheiten muss verstärkt werden. Vor allem bei Hautkrebs besteht Handlungsbedarf. Die Liste der anerkannten Berufskrankheiten soll um das Basalzellkarzinom erweitert werden. Das waren die zentralen Botschaften der Pressekonferenz zur Haut&Job-Woche und der Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Berufs- und Umweltdermatologie (ABD).

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Referenten und Organisatoren der Haut&Job-Pressekonferenz (v. l.): Ralf Blumenthal, Euskirchen, Prof. Christoph Skudlik, Osnabrück, Dr. Ansgar Weyergraf, Bramsche, Hautkrebspatient Werner Tarner, Prof. Andrea Bauer, Dresden, Michael Klesse, Osnabrück, Prof. Swen Malte John, Osnabrück, Thomas Fillep, Osnabrück, und Sarah Jane Call, Euskirchen BVDD/wha

Die ABD hat in Osnabrück wissenschaftlich begründete Hinweise dafür vorgelegt, das Basalzellkarzinom in den Kreis der anerkannten Berufserkrankungen aufzunehmen und die Liste um die Ziffer BK 5104 zu erweitern. Bislang sind lediglich das Plattenepithelkarzinom und seine Vorstufe – die aktinischen Keratosen – als Berufskrankheit anerkannt.

Die vormalige ABD-Präsidentin Prof. Andrea Bauer verwies auf die Ergebnisse einer in Deutschland durchgeführten Fallkontrollstudie, bei der sie an der Universitätshautklinik Dresden selbst mitgewirkt hat. Die zur wissenschaftlichen Publikation eingereichte Untersuchung ergab nach den Worten der Dresdener Hochschullehrerin bei überwiegend im Freien Beschäftigten mit hoher UV-Strahlungsexposition ein im Vergleich zur übrigen Bevölkerung doppelt so hohes Risiko, an einem Basalzelltumor zu erkranken.

Haut&Job: eine Initiative für  Hautgesundheit am Arbeitsplatz

Hauterkrankungen insgesamt liegen bei den Berufskrankheiten mit weitem Ab-stand an der Spitze. 2018 machten sie rund 60 Prozent aller bestätigten Verdachtsmeldungen bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) aus. „Sie sind somit von hoher medizinischer und gesellschaftlicher Bedeutung“, so der neu gewählte Präsident der ABD, Prof. Christoph Skudlik. Er war zugleich Tagungsleiter der 15. ABD-Tagung, zu der in diesem Jahr in Osnabrück rund 300 nationale und internationale Experten aus Wissenschaft, Medizin und gesetzlicher Unfallversicherung unter dem Motto „Perspektiven im Blick – den Patienten im Fokus“ zusammenkamen, um aktuelle Entwicklungen bei beruflich bedingten Hauterkrankungen zu erörtern.

Die medizinischen Fakten sind in Fachkreisen unbestritten: Hand- und Kontaktekzeme stellen mit annähernd 50 Prozent den größten Teil der gemeldeten Berufskrankheiten dar. Feuchtarbeit führt ungeschützt oft zu (Hand-) Ekzemen, Umgang mit hautbelastenden Substanzen löst Kontaktallergien aus, die Arbeit im Freien ohne hinreichenden Schutz vor natürlicher UV-Strahlung ist in vielen Fällen Auslöser von Hautkrebs. Fehlzeiten am Arbeitsplatz sind die mittelbare Folge.

Doch deshalb den Job aufzugeben und für den Wirtschaftsstandort Deutsch-land qualifizierte Mitarbeiter zu verlieren, ist fast immer vermeidbar. Um Vorsorge und Früherkennung geht es bundesweit bei der Aktionswoche Haut&- Job 2019 mit ihren zahlreichen Informations- und Beratungsangeboten in teilnehmenden Kliniken und Hautarzt-praxen. Und: „Nur wer die Gefahren für seine Haut am Arbeitsplatz kennt, kann sich richtig und frühzeitig schützen“, so Prof. Swen Malte John, Osnabrück, Direktor des Instituts für Interdisziplinäre Dermatologische Prävention und Rehabilitation an der Universität Osnabrück (iDerm), der für die Initiative federführend verantwortlich zeichnet.

Rückenwind erhält die bundesdeutsche Kampagne für Hautgesundheit am Arbeitsplatz aus Europa. Die 2010 von der europäischen Akademie für Dermatologie und Venerologie (EADV) ins Leben gerufene europaweite „Healthy Skin@Work“-Kampagne findet zunehmend eine breite politische Unterstützung durch europäische Parlamentarier, die EU-Kommission und europäische Sozialpartner, aber auch durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Neuerkrankungen steigen sprunghaft

Während die Verdachtsfälle von berufsbedingten Hautkrankheiten wie Handekzeme in den letzten Jahren leicht rückläufig sind, hat es beim hellen Hautkrebs von Outdoor-Workern einen sprunghaften Anstieg gegeben. Seit der Einführung der Berufskrankheit BK 5103 im Jahr 2015 sind jährlich mehr als 8.000 Fälle von berufsbedingtem Haut-krebs angezeigt worden, wie Prof. Bauer in Osnabrück weiter berichtete. Sie fürchtet, dass noch in diesem Jahr die 10.000er-Marke fällt – noch ohne Basalzelltumorfälle.

„Nur durch konsequenten Sonnenschutz an Außenarbeitsplätzen werden diese dramatisch hohen Zahlen in einigen Jahren abnehmen“, unterstrich die Dresdener Dermatologin. Handlungsbedarf besteht, wie sie verdeutlichte, auch deshalb, weil heller Hautkrebs zwar in aller Regel nicht tödlich verläuft, jedoch nicht mit einer einmaligen Operation beseitigt werden kann, sondern sich flächig und in die Tiefe des Gewebes ausbreitet und dann in aller Regel ein chronisches Leiden darstellt.

Zum besseren Schutz vor Hautkrebs fehlen bislang verbindliche gesetzliche Bestimmungen, die beispielsweise die Bereitstellung von Sonnenschutzmitteln und UV-schützender Arbeitskleidung oder auch Änderungen bei der Arbeitszeit im Hochsommer und in der prallen Sonne – vor allem um die Mittagszeit – regeln.

Neue Vorsorgeverordnung

Der Gesetzgeber hat im Sommer 2019 mit Zustimmung des Bundesrates eine Änderung der Arbeitsmedizinischen Vorsorge-Verordnung (ArbMedVV) beschlossen. „Alle Arbeitgeber in Deutsch-land sind demnach jetzt verpflichtet, ihren Außenbeschäftigten entsprechende arbeitsmedizinische Beratungen und – bei Einverständnis der Beschäftigten – Untersuchungen anzubieten“, erläuterte John.

In Deutschland haben die Sozialpartner aus der Bau- und Landwirtschaft  im Februar dieses Jahres in eigener  Regie bereits eine Vereinbarung verabschiedet, deren Kernstück die Angebotsvorsorge umfasst: Die Unternehmen werden Arbeitnehmern, die überwiegend im Freien arbeiten, einmal jährlich den Besuch bei einem Betriebsarzt, Arbeitsmediziner, Haus- oder Hautarzt anbieten, damit sie sich beraten und ein Hautscreening durchführen lassen können. Die Kosten für diese Untersuchung, die während der Arbeitszeit stattfinden kann, tragen die Arbeitgeber.

Osnabrück geht mit gutem Beispiel voran

Bei den kommunalen Arbeitgebern geht in Niedersachsen die Stadt Osnabrück beim Thema Hautgesundheit mit gutem Beispiel voran. Im Rahmen des Gesundheitsmanagements organisierte die Stadt zu Beginn der Haut&Job-Aktionswoche mit Unterstützung des iDerm für ihre rund 900 Außenmitarbeiter eine Informationsveranstaltung. Rund 90 nahmen das freiwillige Angebot an (siehe Kasten).

„Das Personal wird immer älter, die künftige demografische Entwicklung wird diesen Trend verstärken, und die Arbeitswelt verändert sich in einem nie dagewesenen Tempo mit der Folge, dass die Anforderungen und Belastungen zunehmen. Umso wichtiger wird es wer-den, in die Gesundheit der Belegschaft zu investieren“, erläutert Michael Klesse, Leiter des Fachbereiches Personal und Organisation der Stadt, die Motive, als Arbeitgeber initiativ zu werden.

„Unser Beispiel sollte Schule machen, auch bei anderen Arbeitgebern“, wünscht sich Thomas Fillep, Finanzvorstadt der Stadt Osnabrück. Die Stadt werde ihre eigenen Bemühungen um einen besseren UV-Schutz für ihre Außenbeschäftigten schon 2020 in Zusammenarbeit mit dem iDerm weiter ausbauen.

In kleineren Betrieben haben es Beschäftigte bisher oft schwer, die nötigen Informationen zu den Risiken für ihre Haut am Arbeitsplatz zu erhalten. Für sie bleibt die Hautarztpraxis oft die erste und wichtigste Anlaufstelle beim Verdacht auf beruflich bedingte Hautprobleme. „Der Hautarzt ist im direkten Patientenkontakt der entscheidende Weichensteller bei berufsdermatologischen Problemen. Vermittlungen von Betriebsärzten oder Hausärzten in die dermatologische Praxis sind die Ausnahme“, beschreibt Dr. Ansgar Weyergraf die Rolle der wohnortnahen Haut-arztpraxis in der Früherkennung und Vorsorge bei Berufsdermatosen. Mit dem sogenannten „Hautarztverfahren“ bestehen nach seinen Worten „etablierte Strukturen für die Kommunikation zwischen Arzt und Unfallversicherung, die eine Optimierung von Behandlung und Management der Hauterkrankung ermöglichen“.

Auf die Gesundheit der Belegschaft achten

 Wie kann ich mich vor Sonne schützen? Was ist Sonnenbrand und was ist Hautkrebs? Diese Fragen klärten Prof. Swen Malte John, iDerm-Direktor, und seine Mitarbeiter  bei einer Informationsveranstaltung beim Osnabrücker ServiceBetrieb während der Haut&Job-Aktionswoche.

Wie sollte eine Sonnenschutzveranstaltung beginnen, wenn nicht mit einigen Sicherheitshinweisen. Nachdem die Teilnehmer unterrichtet wurden, wie sie sich im Brandfall zu verhalten haben, machte Prof. John, die eingeladenen Multiplikatoren  des Osnabrücker ServiceBetriebes mit den Zahlen zum berufsbedingten Hautkrebs vertraut.

„Die Hautkrebsfälle in Deutschland steigen jedes Jahr weiter an“, berichtete John. Seit 2000 hätte sich die Zahl der Hautkrebsfälle in Deutschland um 80 Prozent erhöht. „In den letzten Jahren hat sich Hautkrebs zur zweithäufigsten anerkannten Berufskrankheit und mit Abstand zur häufigsten beruflichen Krebserkrankung entwickelt“, so John.

Betroffen sind vor allem Außenbeschäftigte. In Deutschland ist der Durchschnittsmensch einer Strahlenbelastung von 130 Standard-Erythem-Dosen (SED) pro Jahr ausgesetzt. Ein Außen-arbeiter kommt auf 600 SED. Empfohlen wird nicht mehr als eine SED pro Tag, denn bereits diese reicht aus, um beim Hauttyp 1 einen Sonnenbrand auszulösen. „Diesen Grenzwert überschreiten wir regelmäßig um das Sechsfache“, so der iDerm-Direktor.

Was kann man dagegen tun? Die Stadt als Arbeitgeber ist  seit dem 18. Juli 2019 durch die neue Verordnung zur arbeits- medizinischen Vorsorge dazu angehalten, Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, die die Belastung durch UV-Strahlung am Arbeitsplatz möglichst gering halten. Beim Osnabrücker ServiceBetrieb arbeiten von den insgesamt 470 Mitarbeitern 420 im Freien.

Stadtrat und Finanzvorstand der Stadt Osnabrück, Thomas Fillep, ist sich der Verantwortung bewusst. „Durch eine sich immer schneller verändernde Arbeitswelt nehmen Stress und Belastungen zu, umso wichtiger ist es, auf die Gesundheit unserer Belegschaft zu achten“, sagte Fillep und ergänzte, dass die Verhinderungen von arbeitsbedingten Hautkrebserkrankungen durch die Sonne Priorität habe bei der Entwicklung von Gesundheitsangeboten.

Wie diese aussehen können, stellten Michaela Ludewig und Marc Rocholl, Gesundheitspädagogen beim iDerm, vor und erklärten das TOP-Prinzip des Arbeitsschutzgesetzes. „Zum einen gibt es die technischen Maßnahmen wie die Bereitstellung von Schatten- plätzen“, erklärte Ludewig den Mitarbeitern der Stadt Osnabrück. Zusätzlich gehören auch die organisatorischen Maßnahmen wie Anpassung des Arbeitsrhythmus an die UV-Belastung sowie die personenbezogenen Maßnahmen zum TOP-Prinzip.

„Oft sind die technischen und organisatorischen Maßnahmen nicht optimal umzusetzen“, so Rocholl. Die personenbezogenen Maßnahmen seien deshalb umso wichtiger. Dabei erklärte er den Stadtmitarbeitern die 4H-Regel. „Mit Hemd, Hose, Hut und hohem Sonnenschutz und ergänzend hierzu mit einer Sonnenbrille ist man gut ausgerüstet“, sagte der Gesundheitspädagoge.

Im Anschluss konnten die Teilnehmer die mitgebrachten Schutzmittel wie Arbeitshelm oder Arbeitshose betrachten und Sonnencremeproben sowie verschiedene Informationsmaterialien mitnehmen, um in ihren jeweiligen Abteilungen das erlangte Wissen an ihre Mitarbeiter weiterzugeben. „Das Thema Hautkrebs und Hautkrebsprävention wird völlig unterschätzt. Wir hoffen, dass die Veranstaltung dem jetzt entgegenwirkt“, hielt der Fachbereichsleiter Personal und Organisation der Stadt Osnabrück, Michael Klesse, abschließend fest.